Thursday, May 2, 2013

Glauben wie Abraham


"Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht."
Hebräer 11,1

"Ist die Geschichte der Opferung Isaaks eine Vertrauensgeschichte oder eine Gehorsamsgeschichte?"
Diese Frage wühlte mich ziemlich auf. Es war letztes Jahr um diese Zeit, ich saß im Zertifikatskurs für Religionslehrer, und der leitende Pfarrer stellte uns diese Frage. Es ging um unseren "Erzvater" Abraham. Ich mag die Abrahamgeschichten. Wie Abraham sich aufmacht - ohne zu wissen, wohin, und auf Gottes Verheißung vertraut. Wie Gott Unmögliches möglich macht und ihm - dem "alten Opa" - einen Sohn schenkt. Aber zu den Abrahamsgeschichten gehört auch diese schreckliche Geschichte, in der Gott Abraham auf die Probe stellt, in der der liebende Gott fordert, ein Kind zu opfern. Wie kann so eine Geschichte in der Bibel stehen? Furchtbar. Grausam. Gott testet Abraham, prüft seinen Glauben. Ehrlich, am liebsten würde ich die Geschichte aus der Bibel heraus nehmen. Das passt einfach nicht zu meinem Gottesbild. Für mich hat diese Geschichte auch nichts mit Vertrauen zu tun, sondern lediglich mit einer Prüfung und einer Gehorsamsprobe. So ähnlich äußerte ich mich dann auch in unserem Kurs zu der anfangs gestellten Frage und spürte meine Emotionen hoch kochen. Die Auseinandersetzung mit der Meinung der anderen Kursteilnehmer erlebte ich darum als besonders intensiv. Ich fühlte mich herausgefordert, mich nochmal neu mit Abraham und seinem Glauben auseinanderzusetzen. Und weil das für mich sehr lohnenswert war, möchte ich die Gedanken gerne mit euch teilen. Noch immer hat es mich mit der Geschichte von Abrahams Versuchung nicht vollständig ausgesöhnt, aber Abrahams Vertrauen und Glauben hat mich neu berührt - auch in dieser Geschichte. Im neuen Testament bezeichnet Paulus Abraham als Vater aller Glaubenden (Römer 4) und in Hebräer 11 werden wir aufgefordert, uns Abrahams Leben anzuschauen, um zu erkennen, was Glaube ist. "Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht." (Hebräer 11,1)
Abraham glaubt, dass Gott seine Verheißungen erfüllen wird, auch wenn es gar nicht danach aussieht. Glauben heißt: Ich habe unerschütterliches Vertrauen darauf, dass Gott alle seine Zusagen und Verheißungen einmal einlösen wird. Das ist "Abrahamglaube". Schon bei dessen Berufung wird diese Vertrauenshaltung erkennbar: Gott fordert Abraham auf, aufzubrechen, alles zurückzulassen. Abraham kennt das Ziel nicht. Aber Abraham geht - im Vertrauen darauf, dass Gott seine Verheißung wahr macht und ihm das Land zeigen und ihn zum Segen machen wird, zum Vater eines großen Volkes. Auch im Konflikt zwischen Lot und Abraham zeigt sich, dass Abraham der bewahrenden Führung seines Gottes traut und gelassen warten kann, bis Gott ihn sein Land sehen lässt (zum Nachlesen: Genesis 13,1-18). Und wie ist es mit der Geschichte, die ich bisher am liebsten "gestrichen" hätte? Wie zeigt sich hier der unerschütterliche Abrahamglaube?
In der Bibel heißt es:
"Und es geschah nach diesen Dingen, da prüfte Gott den Abraham." (1.Mose 22,1).
"Nach diesen Dingen": Bisher war Abrahams Leben mit Erfahrungen der Zuwendung Gottes erfüllt, es war voller Gotteserscheinungen! Immer wieder hatte Abraham erlebt, dass er Gott vertrauen kann, dass Gott es gut mit ihm meint. Der Gott, der nun "prüft", hatte sich zuvor als Gott der Bewahrung und Verheißung bekannt gemacht. Ist Abraham deshalb sogleich "gehorsam"? Hat er wirklich geglaubt, dass er Isaak opfern muss? Oder hat er darauf vertraut, dass Gott einschreiten und die Tötung nicht zulassen wird? Was Abraham wohl gedacht hat? Das können wir nur vermuten. Es wird jedenfalls geschildert, dass Abraham ohne Wenn und Aber "gehorcht".
Der dann folgende kurze Dialog zwischen Abraham und Isaak war für mich früher immer der grausige Höhepunkt der Geschichte:
"Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham und sagte: Mein Vater! Und er sprach: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sagte: Siehe, das Feuer und das Holz! Wo aber ist das Schaf zum Brandopfer? Da sagte Abraham: Gott wird sich das Schaf zum Brandopfer ersehen, mein Sohn. Und sie gingen beide miteinander." (1.Mose 22,7-8).
Mir lief es bei der Antwort stets kalt den Rücken hinunter. Denn bisher interpretierte ich den Vers immer so: Abraham weiß ja, wer das Brandopfer ist. Aber er sagt es natürlich nicht, weil Isaak sich ja nicht freiwillig zum Opfer geben wird. Oder vielleicht sagt er es nicht, weil er Isaak "schonen" möchte oder es schlichtweg auch nicht über die Lippen bringt. Wenn aber Abraham wirklich so fest geglaubt hat - wenn er aber wirklich so fest darauf vertraut hat, dass Gott es gut mit ihm meint - kann ich seine Antwort dann auch anders interpretieren? Vielleicht war er ja wirklich von dem überzeugt, was er sagt. Vielleicht hat er tatsächlich fest darauf vertraut, dass Gott das "Brandopfer" zeigen wird und Isaak nicht das Brandopfer sein kann. Denn wenn Abraham auf Gottes Verheißung setzte, dass er Stammvater eines großen Volkes werden soll, dann muss Gott verhindern, dass Isaak geopfert wird. Ist es möglich, dass sich in dem, was Abraham sagt (V.5 und V.8) tatsächlich die feste Zuversicht zeigt, dass Gott Isaak bewahren oder retten wird? Gott selbst hatte ihm doch die Verheißung gegeben, ein großes Volk aus ihm zu machen. Widerspricht Gott nicht sich selbst, wenn er nun den Sohn Abrahams töten lässt? Nur Gott selbst konnte diesen Widerspruch auflösen. Abraham vertraute darauf. Er war zum Gehorsam bereit, weil er über alles Rechnen auf den traute, der die Verheißung gegeben hatte. Inzwischen würde ich wohl anders auf die anfangs zitierte Frage antworten. Tatsächlich geht es in der Geschichte vielleicht mehr um Abrahams Vertrauen als um seinen Gehorsam. Ich wünsche mir nicht, dass ich "geprüft" werde wie Abraham. Aber ich wünsche mir in schwierigen Situationen einen Glauben zu haben wie er: unerschütterlich, fest, zuversichtlich. Ohne Zweifel will ich darauf vertrauen: Gott erfüllt seine Verheißungen. Auf seine gute Führung kann ich mich immer verlassen. Er meint es gut mit mir, was auch immer geschieht. 



 Das habe ich für den Gemeindebrief geschrieben (Leitartikel). Wahrscheinlich viel zu lang  (mein übliches Problem, egal, ob es sich um Zeugnisse, Briefe oder Rezepte handelt :-)).