"Es
ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft und
ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht."
Hebräer 11,1
"Ist die Geschichte der Opferung
Isaaks eine Vertrauensgeschichte oder eine Gehorsamsgeschichte?"
Diese Frage wühlte mich ziemlich auf.
Es war letztes Jahr um diese Zeit, ich saß im Zertifikatskurs für
Religionslehrer, und der leitende Pfarrer stellte uns diese Frage. Es
ging um unseren "Erzvater" Abraham. Ich mag die
Abrahamgeschichten. Wie Abraham sich aufmacht - ohne zu wissen,
wohin, und auf Gottes Verheißung vertraut. Wie Gott Unmögliches
möglich macht und ihm - dem "alten Opa" - einen Sohn
schenkt. Aber zu den Abrahamsgeschichten gehört auch diese
schreckliche Geschichte, in der Gott Abraham auf die Probe stellt, in
der der liebende Gott fordert, ein Kind zu opfern. Wie kann so eine
Geschichte in der Bibel stehen? Furchtbar. Grausam. Gott testet
Abraham, prüft seinen Glauben. Ehrlich, am liebsten würde ich die
Geschichte aus der Bibel heraus nehmen. Das passt einfach nicht zu
meinem Gottesbild. Für mich hat diese Geschichte auch nichts mit
Vertrauen zu tun, sondern lediglich mit einer Prüfung und einer
Gehorsamsprobe. So ähnlich äußerte ich mich dann auch in unserem
Kurs zu der anfangs gestellten Frage und spürte meine Emotionen hoch
kochen. Die Auseinandersetzung mit der Meinung der anderen
Kursteilnehmer erlebte ich darum als besonders intensiv. Ich fühlte
mich herausgefordert, mich nochmal neu mit Abraham und seinem Glauben
auseinanderzusetzen. Und weil das für mich sehr lohnenswert war,
möchte ich die Gedanken gerne mit euch teilen. Noch immer hat es
mich mit der Geschichte von Abrahams Versuchung nicht vollständig
ausgesöhnt, aber Abrahams Vertrauen und Glauben hat mich neu berührt
- auch in dieser Geschichte. Im neuen Testament bezeichnet Paulus
Abraham als Vater aller Glaubenden (Römer 4) und in Hebräer 11
werden wir aufgefordert, uns Abrahams Leben anzuschauen, um zu
erkennen, was Glaube ist. "Es ist aber der Glaube eine feste
Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was
man nicht sieht." (Hebräer 11,1)
Abraham glaubt, dass Gott seine
Verheißungen erfüllen wird, auch wenn es gar nicht danach aussieht.
Glauben heißt: Ich habe unerschütterliches Vertrauen darauf, dass
Gott alle seine Zusagen und Verheißungen einmal einlösen wird. Das
ist "Abrahamglaube". Schon bei dessen Berufung wird diese
Vertrauenshaltung erkennbar: Gott fordert Abraham auf, aufzubrechen,
alles zurückzulassen. Abraham kennt das Ziel nicht. Aber Abraham
geht - im Vertrauen darauf, dass Gott seine Verheißung wahr macht
und ihm das Land zeigen und ihn zum Segen machen wird, zum Vater
eines großen Volkes. Auch im Konflikt zwischen Lot und Abraham zeigt
sich, dass Abraham der bewahrenden Führung seines Gottes traut und
gelassen warten kann, bis Gott ihn sein Land sehen lässt (zum
Nachlesen: Genesis 13,1-18). Und wie ist es mit der Geschichte, die
ich bisher am liebsten "gestrichen" hätte? Wie zeigt sich
hier der unerschütterliche Abrahamglaube?
In der
Bibel heißt es:
"Und
es geschah nach diesen Dingen, da prüfte Gott den Abraham."
(1.Mose 22,1).
"Nach
diesen Dingen": Bisher war Abrahams Leben mit Erfahrungen der
Zuwendung Gottes erfüllt, es war voller Gotteserscheinungen! Immer
wieder hatte Abraham erlebt, dass er Gott vertrauen kann, dass Gott
es gut mit ihm meint. Der Gott, der nun "prüft", hatte
sich zuvor als Gott der Bewahrung und Verheißung bekannt gemacht.
Ist Abraham deshalb sogleich "gehorsam"? Hat er wirklich
geglaubt, dass er Isaak opfern muss? Oder hat er darauf vertraut,
dass Gott einschreiten und die Tötung nicht zulassen wird? Was
Abraham wohl gedacht hat? Das können wir nur vermuten. Es wird
jedenfalls geschildert, dass Abraham ohne Wenn und Aber "gehorcht".
Der
dann folgende kurze Dialog zwischen Abraham und Isaak war für mich
früher immer der grausige Höhepunkt der Geschichte:
"Da
sprach Isaak zu seinem Vater Abraham und sagte: Mein Vater! Und er
sprach: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sagte: Siehe, das Feuer und
das Holz! Wo aber ist das Schaf zum Brandopfer? Da sagte Abraham:
Gott wird sich das Schaf zum Brandopfer ersehen, mein Sohn. Und sie
gingen beide miteinander." (1.Mose 22,7-8).
Mir
lief es bei der Antwort stets kalt den Rücken hinunter. Denn bisher
interpretierte ich den Vers immer so: Abraham weiß ja, wer das
Brandopfer ist. Aber er sagt es natürlich nicht, weil Isaak sich ja
nicht freiwillig zum Opfer geben wird. Oder vielleicht sagt er es
nicht, weil er Isaak "schonen" möchte oder es schlichtweg
auch nicht über die Lippen bringt. Wenn aber Abraham wirklich so
fest geglaubt hat - wenn er aber wirklich so fest darauf vertraut
hat, dass Gott es gut mit ihm meint - kann ich seine Antwort dann
auch anders interpretieren? Vielleicht war er ja wirklich von dem
überzeugt, was er sagt. Vielleicht hat er tatsächlich fest darauf
vertraut, dass Gott das "Brandopfer" zeigen wird und Isaak
nicht das Brandopfer sein kann. Denn wenn Abraham auf Gottes
Verheißung setzte, dass er Stammvater eines großen Volkes werden
soll, dann muss Gott verhindern, dass Isaak geopfert wird. Ist es
möglich, dass sich in dem, was Abraham sagt (V.5 und V.8)
tatsächlich die feste Zuversicht zeigt, dass Gott Isaak bewahren
oder retten wird? Gott selbst hatte ihm doch die Verheißung gegeben,
ein großes Volk aus ihm zu machen. Widerspricht Gott nicht sich
selbst, wenn er nun den Sohn Abrahams töten lässt? Nur Gott selbst
konnte diesen Widerspruch auflösen. Abraham vertraute darauf. Er war
zum Gehorsam bereit, weil er über alles Rechnen auf den traute, der
die Verheißung gegeben hatte. Inzwischen würde ich wohl anders auf
die anfangs zitierte Frage antworten. Tatsächlich geht es in der
Geschichte vielleicht mehr um Abrahams Vertrauen als um seinen
Gehorsam. Ich wünsche mir nicht, dass ich "geprüft" werde
wie Abraham. Aber ich wünsche mir in schwierigen Situationen einen
Glauben zu haben wie er: unerschütterlich, fest, zuversichtlich.
Ohne Zweifel will ich darauf vertrauen: Gott erfüllt seine
Verheißungen. Auf seine gute Führung kann ich mich immer verlassen.
Er meint es gut mit mir, was auch immer geschieht.
Das habe ich für den Gemeindebrief geschrieben (Leitartikel). Wahrscheinlich viel zu lang (mein übliches Problem, egal, ob es sich um Zeugnisse, Briefe oder Rezepte handelt :-)).