Saturday, December 23, 2017

Bewahren

“Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.”

Um so mehr ich über diesen Satz nachdenke, umso lieber mag ich ihn.
Vielleicht ist er klammheimlich sogar zu meinem Weihnachtslieblingssatz aufgestiegen.
Sie bewahrte diese Worte, sie war bewegt, berührt.
Bewahren. Drauf aufpassen. Schätzen. Behüten. AUF-bewahren.
Der Satz steckt so voller Achtsamkeit.
Maria aber bewahrte…
Ja, ich weiß, Achtsamkeit ist gerade in.
Aber ich fühle mich auch immer wieder davon angesprochen -
denn es fällt mir oft genug schwer, achtsam zu sein.
Wenn ich etwas Besonderes erlebe, was mache ich dann?
Ich mache Fotos. Am besten noch Videos. 
Dann kann ich mir abends den berührenden / wunderschönen / einmaligen Augenblick 
nochmal ansehen. Oder noch besser: ihn teilen. 
Warum und wofür eigentlich?
Dass ich von Anderen höre, wie toll, hübsch oder klug meine Kinder sind? 
Wie unglaublich organisiert und perfekt ich bin? Wie harmonisch es bei uns ist? 
Wie wunderbar und zauberhaft mein Urlaub ist?
Wird er intensiver,wenn andere meinen fotografierten Sonnenuntergang sehen?
Das klingt jetzt, als ob ich es nicht zu schätzen wüsste, 
dass ich jederzeit Videos oder Fotos machen kann. 
Doch, das genieße ich sehr. Ich freue mich total an den alten Filmchen, 
die soviel geliebtes Familienleben, die ersten Monate mit Baby 
oder als Geschwister dokumentieren.
Ich genieße es, diese kleinen Videos immer mal wieder anzuschauen 
und bewahre mir auch auf diesem Weg kostbare Erinnerungen. 
Und trotzdem glaube ich, dass die Herzensschatzkiste wertvoller ist. 
Wenn ich etwas in meinem Herzen bewahre, 
dann speichere ich es mit allen Sinneseindrücken ab. 
Ich nehme es auf - und der Weg zum Herzen dauert ein wenig 
und macht das Erlebte gefühlsintensiver, lebendiger, geräuschvoller und bunter.
Ich muss ganz leise und innerlich ruhig werden,
sonst funktioniert das nicht mit dem im Herzen bewahren.
An weniger strahlenden Tagen kann ich  die Schatzkiste öffnen 
und die gespeicherten Augenblicke wachrufen. Ja, manchmal funktioniert das.
Oft öffnet sich der Schatzkistendeckel bei einem bestimmten Lied
oder einem bestimmten Duft. 
Manchmal geht auch die Tür auf, wenn ich die Augen schließe
und auf die Naturgeräusche und Stimmen um mich herum lausche. 
Auf einmal gehen ganze Schleusen auf, die Erinnerung kommt aus der Schatzkiste hervor
und ist wieder ganz intensiv da. Mir schießen Tränen in die Augen - 
und ich erlebe es wieder: lebendig, intensiv, in Farbe.
Der Weg in die Herzensschatzkiste ist langsamer als jeder andere Weg, 
Erinnerungen festzuhalten. 
Aber ich will aus dem etwas zugewachsenem Trampelpfad 
wieder einen breiteren Gehweg machen. 
Denn mit der Achtsamkeit, Erinnerungen im Herzen zu bewahren, 
kommt so oft auch die Dankbarkeit. 
Die tiefe Dankbarkeit, die sprachlos feststellt, dass ich ein glücklicher Mensch sein kann. 
Die durch den ganzen Körper strömt und Frieden ausbreitet. 
Aus der Tiefe meines Herzens… 
ja, ich übe. Ich übe, innezuhalten 
und bevor ich das Handy für den besonderen Moment zücke, 
die Hände zu öffnen, das Herz weitzumachen,
alle Sinne abzulauschen und mein Seelenfenster aufzumachen…
Ich möchte es Maria gleich tun.
Bewahren.
Worte. Blicke. Glücksmomente.
Bewahren und bewegen.